Kapitel 4

4. Räuber

Mitten in der Nacht wurde er durch lautes Gelächter aus dem Schlaf gerissen. Er rieb sich verwundert die noch schlaftrunkenen Augen und bemerkte den Schein eines Lagerfeuers, der durch die Bäume fiel. Leise stand er auf und schlich sich an das Feuer heran. Drei bärtige Männer mit Federhüten saßen um das Feuer herum. Über dem Feuer briet ein junges Ferkel und dessen köstlicher Duft ließ den Wichtel daran denken, dass er den ganzen Tag über nichts gegessen hatte.

,,Das war eine fette Beute heute,“ hörte der Wichtel einen der drei Männer sagen und mit einem Mal wurde ihm klar, dass es sich bei den Männern wahrscheinlich um eine Räuberbande handeln musste.

,,Ja, es hat sich wahrlich gelohnt! Ich habe euch doch immer gesagt, dass beim Müller Macke richtig was zu holen ist,“ flüsterte ein anderer, der drei Männer und schnitt sich eine große Portion von dem Ferkel ab. Eugen Balduin Munkelpietz lief das Wasser im Munde zusammen, obwohl er eigentlich kein großer Fleischesser war.

„Ich als euer Räuberhauptmann Brummelbatz sage euch, übermorgen werden wir den Pastor in Michelsburg ausrauben, der hat nämlich noch mehr Geld im Haus!“

Eugen Balduin Munkelpietz hatte vorerst genug gehört. Still und leise, so wie er gekommen war verschwand er auch wieder, hin zu der Tanne unter der sich sein Schlafplatz befand. „Grässliches Räubergesindel, hörte man ihn sagen, den Burschen müsste man einmal eine Lektion erteilen.“ Und mitten in diesem Satz kam ihm eine großartige Idee. Er kramte in seinem Rucksack herum und fand trotz der Dunkelheit sehr rasch den Beutel mit dem Elfenstaub. „Aber was passiert wenn der Zauber nicht wirkt?“ Er war unschlüssig.

„Dann werden mich die Räuber gefangen nehmen und wer weiß, was mir dann blüht?“ Dann aber wurde seine Neugier doch stärker als all seine Zweifel und er öffnete den Lederbeutel. Vorsichtig nahm er eine Prise des Elfenstaubes heraus und streute ihn sich über das Haupt. Nichts passierte! Er fühlte sich genauso wie vorher und als er an seinem Körper herabsah, konnte er noch deutlich seine Wichtelfüße im fahlen Schein des Lagerfeuers erkennen. ,,Das muss ja nichts heißen,“ murmelte er und lachte kurz auf.

Er legte den Beutel mit dem Elfenstaub zurück in seinen Rucksack. ,,Wenn ich mich sehen kann, heißt das ja noch lange nicht, dass mich die Räuber sehen können.“ Leise schlich er sich zurück an das Lagerfeuer der Räuberbande, die inzwischen ein garstiges Räuberlied sangen:

„Räuberhauptmann Brummelbatz,
klaut alles Geld und jeden Schatz.
Trinkt das Bier in ein, zwei Zügen
aus gestohlenen Silberkrügen.
Hat keine Angst vor Polizei
appel - di und appel - dei.”

Plötzlich ertönte ein lautes Niesen und der Gesang brach abrupt ab. ,,Hatschi, Hatschi, oh Verzeihung!“ Die Räuber sahen sich verwundert an, keine Menschenseele war zu entdecken. ,,Hatschi, Hatschi, verdammt und zugenäht!“
Brummelbatz der Räuberhauptmann war nun aufgesprungen und hielt seine mit Silber beschlagene Pistole in die Richtung des Geräusches, das er vernommen hatte. „Hände hoch, oder ich schieße,“ rief er aus. Auch die beiden anderen Räuber waren nun aufgesprungen und sahen suchend in der Gegend umher, aber trotz des hellen Scheins des Lagerfeuers konnten sie nichts erkennen. ,,Ist da jemand?“ Brummelbatz Stimme schallte in die Nacht.

Eugen Balduin Munkelpietz, hatte sich nun hinter den Räuberhauptmann geschlichen und pikste ihm mit einem Messer, welches er auf dem Erdboden gefunden hatte in das edle Räuberhinterteil. Von Schmerzen gepeinigt heulte Brummelbatz nun auf. ,,Uuuh, Uuuh, Potzblitz! Wer hat mich in den Hintern gepiekst?“ Er drehte sich um, sah aber nur seinen Räuberkollegen, der gerade sein Messer aus dem Gürtel gezogen hatte um sich vor dem vermeintlichen Angreifer, der da geniest hatte zu verteidigen.

,,Strippelkopp, du Unseliger! Warum rammst du mir dein Messer in den Hintern?“ Bevor Strippelkopp auch nur das geringste antworten konnte, hatte sich der Räuberhauptmann Brummelbatz auf ihn gestürzt und würgte ihn mit bloßen Händen. Der dritte Räuber, der die ganze Szenerie fassungslos beobachtet hatte, warf sich nun zwischen die beiden Kampfwütigen und eine wilde Rauferei entbrannte.

Der kleine Wichtel durchkramte unterdessen die Sachen der Räuber und nahm alles Diebesgut, welches er finden konnte an sich. Leise schlich er sich zu seinem Schlafplatz zurück, um die gestohlenen Sachen in Sicherheit zu bringen. Aber er beeilte sich, um schleunigst zum Lagerfeuer zurückzukehren, denn er wollte die drei Räuber noch ein wenig weiter ärgern.

Inzwischen hatten diese sich wieder beruhigt. Strippelkopp hatte zwei Zähne verloren und Brummelbatz hatte ein dickes, blaues Auge zu beklagen. Auch der dritte Räuber war nicht ohne Blessuren davongekommen. ,,Und ich sage es dir nochmals Brummelbatz, ich habe dich nicht mit dem Messer gestochen,“ sagte Strippelkopp zum wiederholten Male. ,,Frag doch den Platzkowatsch, der wird es bezeugen!“

Platzkowatsch, der dritte Räuber nickte nur mit dem Kopf und Brummelbatz schien ihm zu glauben. Dann setzten sich die Räuber wieder und sprangen kurze Zeit darauf wiederum auf, als sie feststellen mussten, dass ihnen ihr Diebesgut abhanden gekommen war. Wieder entbrannte ein heftiges Wortgefecht und es wäre bestimmt noch einmal zu einer derben Rauferei gekommen, hätte der Wichtel nicht wieder niesen müssen. ,,Hatschi, Hatschi, Hatschi!“

Wieder hatten die Räuber das Niesen deutlich vernommen und sahen sich entsetzt und verzweifelt an. ,,Vielleicht ein Waldgeist,“ flüsterte Platzkowatsch, der als erster wieder ein wenig Fassung erlangt hatte.
Strippelkopp nickte und war kalkweiß geworden. ,,Von Waldgeistern habe ich schon gehört!“

,,Ach, alles Quatsch! Es gibt keine Geister,“ war Brummelbatz nun zu hören.

,,Bist du sicher?“ Platzkowatsch sah ihn ängstlich an, aber Brummelbatz gab ihm keine Antwort. Nun war dem Wichtel ein guter Gedanken gekommen, wie er den Räubern das Handwerk legen konnte. Er lachte kurz auf. ,,Buuh, Huuhuuu! Wer sagt das es keine Geister gibt, wer wagt es an Munkelpietz, den großen Geist des Waldes zu zweifeln?“ Die Räuber, die den unsichtbaren Wichtel nicht sehen konnten sahen sich fragend an und Räuberhauptmann Brummelbatz, der gerade noch so mutig gesprochen hatte zitterte plötzlich wie Espenlaub. ,,Buuh, Buuuh, ich habe euere Untaten schon seit langer Zeit beobachtet, euer unrechtes Tun, bedarf größter Strafen. Ich werde euch zu Stein verwandeln. Dann sollt ihr Diebesgesindel für alle Zeit, für eure Schandtaten büßen.“

Strippelkopp begann auf einmal zu schluchzen. ,,Nein, bitte nicht! Bitte verwandele uns nicht zu Stein! Ich verspreche dir lieber Waldgeist, das ich in Zukunft ein ehrliches und tadelloses Leben führen werde.“ Die beiden anderen Räuber nickten. ,,Ja, das werden wir,“ flüsterte Strippelkopp.

,,Ich verspreche es auch, so wahr ich Brummelbatz heiße! Nie wieder wollen wir stehlen und rauben, verschone uns noch einmal und da wirst in Zukunft deine helle Freude an uns haben!“ Der Wichtel musste schmunzeln, als er die drei Räuber im Schein des Lagerfeuers betrachtete, nie zuvor hatte er in so traurige und ängstliche Gesichter gesehen. Den drei Räubern rannen die Tränen in Strömen von den Wangen.

,,Nun gut, für dieses Mal will ich euch noch einmal verschonen, weil ich euren Tränen und Beteuerungen glaube!“ ,,Danke,“ flüsterte Brummelbatz und putzte sich die Nase.

,,Aber eine Bedingung habe ich noch, sprach der Wichtel. Ihr müsst den Wald sofort verlassen in drei verschiedene Richtungen. Und zwar sofort!“ Die drei Räuber sahen sich noch einmal an, nickten wiederum und rannten dann so schnell wie sie konnten in drei verschiedene Richtungen los und wurden nimmermehr gesehen. Eugen Balduin Munkelpietz hätte jubeln mögen, so froh war er. Er aß noch eine große Portion von dem Spanferkel, das immer noch über dem Feuer brutzelte und legte sich dann schlafen, mit der Gewissheit sein erstes, großes Abenteuer bravourös überstanden zu haben.

Am nächsten Morgen war der Wichtel dann erst sehr spät aufgestanden. Er war noch einmal zu der Feuerstelle der Räuber gegangen um nach Brauchbaren Ausschau zu halten. Die Räuber, die in wilder Hatz geflüchtet waren, hatten noch reichlich Kostbares zurückgelassen. Der Wichtel entschied sich dafür nur eine Zündholzschachtel und einen gut gefüllten Proviantbeutel mitzunehmen. Dann war er wieder zur Tanne, unter der er sich in der vergangenen Nacht seinen Schlafplatz bereitet hatte zurückgegangen. Er faltete seine Decke zusammen und legte sie in den Rucksack zurück. Er betrachtete auch noch einmal das Diebesgut, welches er den drei Räubern abgenommen hatte. Es bestand aus einem kleinen Stoffbeutel, in dem sich zahlreiche Silbermünzen befanden, aus einem kleinen Schmuckkästchen und aus zwei Taschenuhren. Wahrscheinlich gehörten diese Sachen allesamt dem Müller, von dem die drei Räuber in der Nacht gesprochen hatten.

„Müller Macke, entfuhr es dem Wichtel, ja richtig. Macke war sein Name!“ Er kratzte sich an seinem kleinen Wichtelkopf. ,,Ich werde ihm alles zurückbringen, falls ich in Erfahrung bringe wo er wohnt.“ Dann legte er das Diebesgut auch in seinen Rucksack, schnürte ihn gut zu und brach dann wieder auf, einem neuen Abenteuer entgegen.

© Hansjürgen Katzer, 1997





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