Kapitel 16

16. Wie Munkelpietz den Wolf rette

Am nächsten Morgen, als Knollennase erwachte, war der Wichtel immer noch nicht da. Der Zwerg machte sich große Sorgen und wollte sich schon auf die Suche nach seinen Freund begeben, da hörte er plötzlich die Stimme des Wichtelmännchens. ,,He Knollennase, du brauchst mich nicht zu suchen. Ich bin längst wieder zurück, aber wegen des Elfenstaubes leider noch für einige Stunden unsichtbar.“

Dann erzählte Munkelpietz dem Zwerg, wie es Pia Pattlich auf dem Hexenfest ergangen war und warum er, Munkelpietz unbedingt dabei sein wollte. Der Zwerg lauschte interessiert und war sehr belustigt, als Munkelpietz von dem herbeigezauberten Elefanten berichtete. Schließlich sagte er:

,,Das war absolut richtig von dir Eugen Balduin Munkelpietz! Und es freut mich riesig, das Pia Pattlich nun in die vierte Hexenklasse aufgenommen worden ist.“ Nach einem kargen Frühstück machten sie sich wieder auf den Weg. ,,Ich schätze wir werden noch zwei bis drei Tage unterwegs sein, bis wir Emil und Raane Bartenbiels Haus erreicht haben werden,“ sagte Knollennase als sie eine staubige Landstraße entlang gingen.

Am späten Nachmittag wurde der Wichtel wieder sichtbar, denn die vierundzwanzig Stunden des Elfenzaubers waren vorbei. Sie kamen wieder an einen großen Wald, aber dieser war licht und wohl gewachsen und ein ausgetretener Pfad, dem sie nun folgten bestimmte ihre Richtung. ,,Hier kenne ich mich aus, sagte Knollennase. Diesen Weg bin ich damals auch gegangen, als ich Emil und Raane das erste Mal aufgesucht habe.“ Immer tiefer kamen sie in den Wald. Am Abend schlugen sie auf einer breiten Lichtung in der Nähe eines kleinen Baches ihr Lager auf. Die Nacht über schliefen sie ausgezeichnet und am nächsten Morgen ging die Reise weiter.

Gork war ihnen nun dicht auf den Fersen. Er hatte mit seiner Armee den Hexenberg erreicht. Hier hatte er schon oft gestanden, als Mitglied der Hexen und Zaubererzunft. Er war sogar ein Zauberer der sechsten und höchsten Hexenklasse gewesen. Aber dann vor etwa vierzig Jahren hatten die Hexen ihn aus ihrer Gilde verbannt, weil er ihnen zu bösartig und zu mächtig geworden war. Gork hatte diese Sache nie vergessen und er hasste die Hexen deshalb fast noch mehr, als die Zwerge und Wichtelmännchen des Teufelwaldes. Aber leider konnte er den Hexen aufgrund ihrer magischen Fähigkeiten kaum etwas anhaben. Nun saß er wieder in seinem Zaubererzelt und starrte in seine Glaskugel. Deutlich konnte er Munkelpietz und Knollennase darin erkennen, wie sie mit ihren Eseln durch einen Wald marschierten. Spätestens morgen würde er sie mit Hilfe der Trolle überwältigen und dann wären alle Teufelswälder für immer Vergangenheit. Er rieb sich die Hände und freute sich diebisch, denn die Erfüllung der alten Prophezeiung, stand nun kurz vor ihrer Erfüllung.

Vor vielen hundert Jahren hatte nämlich ein mächtiger aber gütiger Zauberer, namens Zabuladus die Welten beherrscht. Er war bedeutend mächtiger gewesen, als es Gork jemals selbst gewesen war. Außerdem war er ein guter Freund der Zwerge und Wichtelmännchen. Er war es gewesen, der ihnen den Teufelswald als Heimstätte und Wohnort geschenkt hatte und er hatte sie auch mit einem Zauber belegt. Solange noch ein Nachkomme der ersten Zwerge und Wichtelmännchen aus dem Teufelswald lebte, würde das Schicksal der Welt gütig verlaufen. Würde aber der letzte Zwerg, oder das letzte Wichtelmännchen sterben, dann würde ein böser Zauberer, ein Mentakel aus Brutalität und Gewalt über die Güte, Gnade und Barmherzigkeit obsiegen und die ganze Erde unter seine brutale Knute versetzen und alles in Schutt und Asche legen.

Munkelpietz und Knollennase hatten eine kurze Rast gemacht und Munkelpietz sang ein fröhliches Lied.

,,Klein sind wir, nun stimmt das ja,
trotzen trotzdem der Gefahr.
Kleiner Zwerg und Wichtelmann,
machen das was jeder kann.
Sind voll Mut und Abenteuer,
sitzen Nachts am Lagerfeuer.
Geh´n der Wege, gar so viel,
ja das ist des Lebens Spiel. ‘’

Der Zwerg der ihm zugehört hatte stimmte nun mit ein.

,,Mit zwei Eseln flink und schlau,
marschieren wir durch der Tage Grau.
Angst und Leid, woll´n wir umschreiten,
und wir wollen niemals streiten.
Munkelpietz und Knollennase,
laufen niemals wie der Hase.
Selbst Gork in ihrem Angesicht,
fürchten die zwei Helden nicht.“

Munkelpietz schlug sich vor Begeisterung auf die Schenkel, als er die Strophe des Zwerges gehört hatte. ,,Du bist ja noch ein besserer Sänger und Dichter als ich selbst es bin, Knollennase!“ sagte er zu dem Zwerg. Die beiden versuchten noch eine dritte Strophe zusammen zu dichten, aber es gelang ihnen nicht mehr. So beschlossen sie weiterzugehen. Später fanden sie eine Stelle, an der viele Walderdbeeren wuchsen und über die machten sie sich sofort her. Plötzlich ertönte ein schreckliches Geheul. ,,Uuuuh, Uuuuuh, Uuhhhh!“

Munkelpietz wollte sofort nachschauen, woher das Geheul kam, aber Knollennase hielt ihn zurück.
,,Vielleicht ist es Gork, der uns eine Falle gestellt hat!“ Das Geheul erklang wieder und es war noch lauter und verzweifelter als beim ersten Mal. ,,Uuuhhhh, Uuuuh, Uuuuuhhhhhh!“

Munkelpietz riss sich nun von Knollennase los. ,,Hörst du denn nicht, da braucht jemand unsere Hilfe, rief er. Ich glaube da ist jemand in einer verzweifelten Lage!“ Langsam schlich er sich in Richtung des Geräusches und Knollennase folgte ihm in angemessenem Abstand. Nach einigem Suchen fand Munkelpietz den Urheber, des Geheuls. Es war ein junger Wolf, der mit seiner Pfote in eine Bärenfalle geraten war.

Seine Pfote blutete heftig und hatte sich zwischen den eisernen Klammern der Falle verhakt. Als der Wolf den Wichtel in seinem roten Wams erblickte, knurrte er wütend und der Schmerz war für einen Moment vergessen. ,,Grrr, Grrrr! Was willst du, willst du dich an meinem Leid ergötzen?“

Munkelpietz schüttelte den Kopf. ,,Nein, ich und mein Freund sind gekommen um dir zu helfen!“
Der Wolf war nun überrascht, dass das rot gekleidete Männchen seine Sprache sprach.,,Ja gut, dann hilf mir bitte,“ stöhnte er. Munkelpietz versuchte die Klammern der Falle mit seinen Händen auseinander zu ziehen, aber es gelang ihm nicht. Knollennase war nun näher herangetreten.

,,Nein, so wird das nichts, sagte er. Wir brauchen einen langen Hebel, um die Falle auseinander zu drücken.“ Er ging los um einen langen Ast zu suchen, aber es dauerte eine ganze Weile bis er etwas geeignetes fand. Er kehrte zurück. ,,Hier, das müsste gehen!“

Dann steckte er ein Ende des Astes zwischen die Klammern. ,,Uuuuhhhhh, Uuuhhhh, Uuuuhhhh,“ heulte der Wolf wieder auf.  Zwerg und Wichtelmännchen begaben sich nun an das andere Ende des Astes und mit all ihren Kräften, gelang es schließlich die Klammer der Falle auseinander zu drücken und der Wolf konnte seine Pfote herausziehen. Munkelpietz untersuchte die Pfote und stellte erleichtert fest, daß nichts gebrochen war. ,,Du hast sehr viel Glück gehabt, in einigen Tagen wird deine Pfote wie neu sein,“ sagte er zu dem Wolf und verband ihn dann mit einem Taschentuch, das Knollennase aus seiner Tasche gezogen hatte.

Dann kam man in ein Gespräch und Munkelpietz erzählte dem Wolf, daß sie auf dem Weg zu Emil und Raane Bartenbiel seien. Der Wolf kannte die beiden Zwerge und sagte, das der Weg nicht mehr allzu weit war. Nun bedankte er sich noch vielmals für seine Rettung und hinkte nach Hause. ,,Mit dir erlebt man auch ständig etwas Neues,“ rief Knollennase aus, als der Wolf zwischen den Bäumen verschwunden war und dann machten sie sich gemeinsam mit den Eseln wieder auf den Weg.

© Hansjürgen Katzer, 1997








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