Rapunzel

Rapunzel

(Frei nach den Grimm Brothers)

Ein Weib, das wünscht ein Kind sich sehr,
von ihrem braven Ehemann.
Das ist ihr Hoffnung und Begehr´
und schwanger wird sie irgendwann.

Gar leidig geht die Zeit ihr nun,
so sieht sie oft zum Fenster raus,
wie es so manche Frauen tun,
in Nachbars Garten nun hinaus.

Dort hat Rapunzeln sie erspäht,
wonach gelüstet ihr manch Tag.
Die stehen dort in einem Beet,
so grün, wie man sie essen mag.

Doch ist der Garten voller Pracht,
gesichert durch recht hohe Mauern.
Von Hexen heißt es überwacht,
die in den alten Bäumen kauern.

Dem Weibe schmerzt es in der Seele,
das sie in Todessehnsucht bricht,
wenn weiter ihr Rapunzel fehle,
so das der Gatte ihr verspricht:

Ich stehle sie dir aus dem Garten,
und mach´ daraus dir dann Salat,
doch musst du noch ein wenig warten,
bald steht die tiefe Nacht parat!"

Und als es Dunkel, steigt der Gatte,
über die Mauern hoch und alt,
Pflückt die Rapunzeln, bis er hatte,
schleicht schemenhaft nur von Gestalt.

Nun hat das Eheweib zu essen,
gar köstlich scheint ihr der Genuss.
Doch bald ist alles aufgefressen,
der Gatte Nachschub holen muss.

Und wieder schleicht er nun im Dunkeln,
wohl in den Garten schon zum Raub.
Am Nachthimmel, die Sterne funkeln,
es raschelt leis´ der Bäume Laub.

Doch diesmal ist der Diebstahl hin,
erwischt, erwischt, der gute Mann!
Es schimpft und tobt die Hexerin,
verflucht ihn gleich mit wildem Bann.

Halt ein, spricht dieser voller Flehen,
halt ein mein Weib geht ein und stirbt.
Für sie musste ich dies´ Vergehen,
begehen, das sie mir nicht dirbt!

Sie, ist mein Leben, meine Liebe,
trägt unterm Herzen unser Kind,
Braucht die Rapunzeln, das es bliebe
am Leben und wir glücklich sind!"

Nun zeigt die Hexerin Erbarmen:
„Nimm dir Rapunzeln reich an Zahl,
mach einen Korb aus deinen Armen,
und halte dabei gute Wahl.

Du sollst dich an Rapunzeln laben,
soviel dein gutes Herz begehrt,
dafür will ich dein Kind nur haben,
weil mir der Nachwuchs selbst verwehrt.

Das Kind ich werd´ es sicher schützen,
bedenke doch dein Weib, den Tod.
Was sollte dir das Leben nützen,
wenn es von Kummer nur bedroht!"

So willigt ein, der werdend Vater,
voll Angst, dem Handel ohne Sinn,
weil er sich sorgt vor dem Theater,
das ihm gelobt die Hexerin.

Und als ein Mädchen ward geboren,
erscheint die Hexe schon recht bald.
Nimmt sich das Kind, das ihr erkoren,
dem Vater schlägt das Herzen kalt.

Ich werd´ das Kind Rapunzel nennen,
so kichert sie voll Hinterlist.
Nun müssen scheiden wir, uns trennen,
doch ihr das Mädchen sicher wisst!"

So blüht die Kleine bald zur Rose,
ist schöner als manch Stern der Nacht.
Und das kein Jüngling mit ihr kose,
die Hexe sie voll Gram4 bewacht.

Und als das Kind dann zwölf geworden.
sperrt sie es in den Hexenturm.
Dort bläst ein kalter Hauch von Norden
und Wind weht wie ein starker Sturm.

Kein Schlüssel gibt es für die Mauern,
doch hat Rapunzel langes Haar.
Das wuchs in ständigen Bedauern
ward lang und länger, Jahr um Jahr.

Und wollt die Hexe sie besuchen,
dann rief die Alte froh und munter:
„Rapunzel schau, ich backte Kuchen,
nun lass dein langes Haar herunter!"

Schon bindet sich das Kind die Zöpfe,
wirft sie der alten Hexe zu,
damit die neue Kräfte nun schöpfe
und zu ihr steige voller Ruh´.

Die Hexe spuckt in ihre Hände
und greift sich nun den Haaresstrick,
der Weg ist lang und kennt kein Ende,
doch bricht sie sich nicht das Genick.

So geht es Jahr´ um Jahre weiter
da reitet stolz des Königs Sohn,
hört lieblich Singen, froh und heiter,
entbrennt in tiefster Liebe schon.

Es war Rapunzel die geklungen,
doch führt kein einzig Weg zu ihr.
Ein jedes Klettern ist misslungen,
zu sehen jenes Mädchens Zier.

Der Prinz ein wenig schon verstimmet,
wartet im grünen Walde drunten.
Bis er der Hexe Ruf vernimmet,
„Rapunzel, lass dein Haar nach unten!"

Sieht nun das Schauspiel voller Freude,
und wartet ab bis in die Nacht,
dann schleicht er leise zum Gebäude,
und ruft ganz selig und ganz sacht:

Rapunzel, lass dein Haar nur runter,
ich bring dir tausend Küsse dar.
Ich bin der Prinz, mein Name Gunter,
mich ängstigt Tod nicht und Gefahr!

Bald steigt er auf, findet Rapunzel,
küßt sie sogleich auf sehnend Mund.
Die Kammer hellt nur eine Funzel,
in Liebe, zwei zur nächtlichen Stund´.

So kam die Alte am Tag zu Besuche
brachte ihr oft Klöße und Braten vorbei.
Des Nachts lag der Prinz auf duftendem Tuche,
zu ahnen was wirkliche Liebe sei.

Doch als sich Rapunzel, der Hexe verraten
da nahm sich die Alte, die Schere sogleich
schnitt ab ihr die Zöpfe und strafte die Taten,
und zauberte sie in ein fernes Reich.

Verbannt ward Rapunzel und musste hinfort,
ein Leben in Kummer nun fristen,
An einen gar traurigen, finsteren Ort,
mit Möbeln aus Unrat und Kisten.

Und als sich der Prinz in der Nacht zog am Haar,
In die Kammer von Fräulein Rapunzel.
Stand da nur die Hexe, die grauslich nun war,
mit klagendem Stirnengerunzel.

Dein Vög´lein ist fort, ach du elender Hund,
schon kratz sie ihm aus fast die Augen.
So springt er hinab in nächtlichen Grund,
zur Flucht schien nur dieser zu taugen.

So fiel er ins Dornwerk der Himbeere ein,
die ihm seine Augen zerstachen.
Nun blind geworden, wo einst heller Schein,
seine letzten Träume zerbrachen.

So trieb nun der Prinz durch schwärzeste Welt
sich innig im Traurigkeit wähnend.
Die einen der liebt, im Leben wohl hält,
der sich nach Verlorenem sehnet!

Und als ihn nach Jahren ein Lied wohl betört,
mit ruhigem und sinnhlichen Klange.
Da ist ihn als hat er die Stimme gehört,
die er nun schon sucht gar so lange.

Rapunzel, bist du´s, die ich einst hatte lieb,"
schon warf sie sich ihm in die Arme.
So ist es zumeist, was im Märchen nur blieb,
nun folgen der Tränen, gar warme.

Benetzen des Prinzen Augen und Herz,
der kann wie im Wunder nun sehen.
Verloschen der Kummer, der heftige Schmerz
die beide in Freude vergehen.

Und als er erkennt nun Rapunzels Geleit,
das Mädchen, den lockigen Knaben.
da dünkt ihm, das selbst nach finsterer Zeit,
die Träume Erfüllung noch haben.

© Hansjürgen Katzer, Januar 2012





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