Kapitel 15

15. Pia Pattlich und das Hexenfest

Die nächsten Tage waren anstrengend aber abwechslungsreich. Das Land, welches sie nun durchquerten bot allerlei idyllische Plätze. Bergige und flache Landstriche wechselten sich in regelmäßigen Abständen ab. Gestern war Knollennase sogar auf eine heiße Quelle gestoßen und sie hatten ein herrliches und belebendes Bad in dem warmen Wasser genommen. Anschließend waren sie auch noch auf einen Platz gestoßen, an dem zahlreiche Pfifferlinge und andere leckere Pilze wuchsen. Hier hatten sie dann auch die Nacht über gelagert. Knollennase hatte eine prächtige Pilzpfanne zubereitet und sie hatten sich nach langen, mageren Tagen wieder mal richtig satt gegessen.

Nun aber hatten sie einen großen Wald erreicht, der ihnen sehr gespenstisch erschien. Kein Weg war zu sehen und so waren sie gezwungen sich mit den Eseln durch das Unterholz zu schlagen. Eine scheue Wildschweinfamilie kreuzte ihren Weg und Knollennase sah in einiger Entfernung einen Hirsch stehen. Die Esel blieben immer wieder mit ihrem Gepäck an den herabhängenden Ästen der Bäume hängen und so kamen sie nur mühsam voran. Gegen Mittag standen sie auf einer kleinen Lichtung und beschlossen eine längere Pause einzulegen.

Topper und Schnellläufer bekamen ihren letzten Hafer, denn die Vorräte, die man auf die Reise mitgenommen hatte waren nun aufgebraucht. ,,Von nun an müsst ihr Gras fressen,“ sagte Knollennase und zog Topper freundschaftlich an dessen langen Ohren. Topper fand das gar nicht lustig und wollte nach dem Zwerg schnappen, aber der sprang wieselflink auf die Seite.

,,Wie lange werden wir wohl noch brauchen, bis wir Tamarkant erreichen werden,“ wollte Munkelpietz wissen. ,,Ich weiß es nicht, dieser Weg, den wir nun eingeschlagen haben ist mir völlig unbekannt,“ antwortete Knollennase. Dann holte er eine alte von Hand gezeichnete Landkarte heraus und studierte sie lange. Aber sie gab ihm auch keine Antwort auf die Fragen des Wichtelmännchens.

Gork war außer sich vor Wut. Noch immer war es ihm nicht gelungen den Zwerg und das Wichtelmännchen einzuholen. Tagelang war seine Trollarmee durch einen Fluss aufgehalten worden, den man nur schwerlich überqueren konnte. Nirgends hatte es eine Brücke gegeben. Und da er auch keine Zauberformel kannte, die ihm ermöglichte eine Brücke über den Fluss zu zaubern, musste er abwarten. Drei Tage lang hatten die Trolle dann am Bau von sechs großen Flößen gearbeitet, die die Armee und den Zauberer über den Fluss bringen sollten, was auch letztendlich gelang. Nun saß Gork in seinem Zaubererzelt, das er stets auf seine Reisen und Kriegszügen mitzunehmen pflegte.
Er sah in seine Zauberkugel, aber die blieb trübe und er konnte nichts sehen.

,,Verdammt und verflucht,“ schrie er. Und dann verwandelte er sich durch einen magischen Zauberspruch wieder in den alten, schwarzen Raben. In diesem Körper fühlte er sich am wohlsten und wenn er diesmal vorsichtig genug war, hatte er vielleicht die Möglichkeit die Spur der beiden Teufelswälder wieder zu finden.

Inzwischen war es Abend geworden und Munkelpietz, Knollennase und die beiden Esel hatten ihre Reise fortgesetzt. In der Ferne erblickten sie ein fahles Licht und diesem folgten sie. ,,Das muss ein Haus oder eine Hütte sein,“ flüsterte Munkelpietz dem Zwerg zu. Langsam gingen sie weiter und standen kurze Zeit später tatsächlich vor einer kleinen, windschiefen Holzhütte. ,,Wir sollten anklopfen und um ein Nachtquartier bitten,“ sagte Knollennase. Er wollte sich gerade auf den Weg an die Haustür machen, da stellte sich ihm ein großer, schwarzer Kater mit glühenden Augen in die Quere. „Miau!“

Der Zwerg wich ein wenig zurück. Plötzlich öffnete sich die Tür der Holzhütte und eine kleine Frau, die in bunte Kleider gekleidet war trat heraus. Sie kam auf Knollennase und Munkelpietz zu. ,,Guten Abend! Was wünscht ihr? Welcher Wind hat euch denn in diese verlassene Gegend verschlagen?“

Knollennase zog seine grüne Zipfelmütze von Kopf. ,,Guten Abend! Mein Freund hier und ich sind auf dem Weg nach Tamarkant um zwei Freunde aufzusuchen. Wir möchten um ein Nachtlager für diese Nacht bitten.“ ,,Aha, ein Nachtlager!“ Die kleine Frau stand nun direkt vor Knollennase. Sie musterte ihn und der schwarze Kater war ihr nun mit einem riesigen Satz auf die Schulter gesprungen, wo er sich nun an ihr Haar anschmiegte. ,,Ja, dann kommt erst mal herein in meine Hütte. Ihr könnt auch noch etwas zu Essen bekommen, aber die Esel müssen draußen bleiben!“

,,Iiiiah, Iiiah!“ Topper hatte den letzten Satz mit Verärgerung aufgenommen. Aber es war umsonst. Er wurde mit Schnellläufer gemeinsam an einer alten Buche festgebunden, das Gepäck wurde ihnen abgenommen. Dann verschwanden Knollennase und Munkelpietz in der Holzhütte und die Frau mit dem Kater folgte ihnen. Die Hütte war nicht besonders groß, aber hell erleuchtet. Zahlreiche Kerzen brannten und es roch nach Jasmin und Lavendel. An der Wand stand ein Regal und in diesem befanden sich zahlreiche Gläser mit allerlei unbekannten Pulvern und anderen Sachen. In der Ecke standen zwei große Reisigbesen. Munkelpietz wurde ein wenig mulmig zumute.

,,Schaut euch nur um, sagte die Frau. Übrigens ich bin eine Hexe!“ Knollennase war nun ein wenig blass geworden und er spürte plötzlich einen Kloß in seiner Kehle. Der schwarze Kater war inzwischen wieder von der Schulter der Frau gesprungen und hatte es sich auf einen roten Kissen gemütlich gemacht. ,,Ach, keine Angst ich tue euch nichts! Ich bin noch eine ganz junge Hexe und kann noch gar nicht richtig zaubern. Falls es euch interessiert, mein Name ist Pia Pattlich.“ Knollennase atmete kräftig durch und auch Munkelpietz fühlte sich schlagartig besser. Man setzte sich gemeinsam an einen kleinen Tisch und die Hexe brachte das Abendbrot. Es gab einen Eintopf, der äußerst wohlschmeckend war. Dann klagte die Hexe dem Wichtel und dem Zwerg ihr ganzes Leid.

,,Ich bin jetzt schon bald einhundertdreiundzwanzig Jahre alt, was noch wirklich jung für eine Hexe ist, sagte sie. Aber ich bin immer noch Hexe erster Klasse. Alle anderen Hexen lachen über mich, denn sie können bedeutend besser hexen als ich. Und in zwei Tagen ist wieder das große Hexenfest auf dem Hexenberg, dann treffen sich alle Hexen und zeigen ihre neusten Zaubertricks. Ich werde wieder irgendwelche Nüsse in weiße Mäuse verwandeln, so wie ich es jedes Jahr mache und werde Hexe erster Klasse bleiben!“

Bei dem Wort Hexenberg war Knollennase hellhörig geworden. ,,Redest du von dem Hexenberg, der im Lande Tamarkant liegt,“ fragte er die Hexe. Diese nickte. ,,Selbstverständlich rede ich vom Hexenberg, der im Lande Tamarkant liegt!“ Nun war auch Munkelpietz ein Licht aufgegangen.

,,Hexenberg, das ist ja ganz in der Nähe von dem Ort, wo Emil und Raane Bartenbiel leben,“ rief er aus.
Die Hexe versprach ihnen dann später, dass sie die beiden mit zum Hexenberg nehmen würde. Allerdings müssten sie dann mit ihr auf dem Hexenbesen dort hinfliegen. Munkelpietz schüttelte den Kopf. ,,Nein das geht nicht, sagte er. Wir können Topper und Schnellläufer, unsere Esel doch nicht hier zurücklassen.“ Aber die Hexe hatte eine Idee.

,,Ich könnte versuchen, die Esel in weiße Mäuse verwandeln, dann wären sie ganz klein. Ihr könntet sie dann bequem mitnehmen. Weiße Mäuse kann ich zaubern!“ Damit waren Zwerg und Wichtel nach einigem Überlegen einverstanden. Dann wurden sie furchtbar müde und die Hexe zeigte ihnen eine kleine Kammer in der ein Bett stand. ,,Hier könnt ihr schlafen,“ sagte sie.

Am nächsten Morgen wurde Munkelpietz von einem seltsamen Gemurmel geweckt. Knollennase schlief noch tief und fest. Er zog sich rasch an und schlich sich aus dem Zimmer. In dem Raum, wo sie gestern das Abendbrot eingenommen hatten saß die kleine Hexe und las in einem großen Buch. Vor ihr lagen ein paar Haselnüsse und ab und zu murmelte sie ein paar Worte.

,,Hokus Pokus Donnerkeil
und von der Spinne noch ein Teil.
Dreimal rote Kinderhaare,
von reifen Äpfeln auch zwei Paare,
Großer goldner, schöner Kelch,
aus dieser Nuss wird nun ein Elch.“

Es gab einen Knall und Rauch stieg auf, aber ansonsten geschah nichts. Die kleine Hexe versuchte es mit einem anderen Hexenspruch.

,,Fledermausflügel in rotem Gelee,
Taubeneier in weißem Schnee.
Abra - ka - dabra, schwarzer Kater,
Schneidezahn von einem Pater.
Türen auf und Türen zu,
aus dieser Nuss wird nun ´ne Kuh.“

Wieder gab es einen Knall und etwas Rauch stieg auf, aber das war es auch schon. Die kleine Hexe war den Tränen nahe. Und als sie den Wichtel bemerkte seufzte sie.,,Nun hast du es ja selbst gesehen, ich kann nicht mal die einfachsten Sachen zaubern, ich bin einfach eine Schande für alle anderen Hexen!“
Sie fing tatsächlich an zu weinen. Munkelpietz tröstete die kleine Hexe und reichte ihr sein Taschentuch. ,,Danke!‘’ hauchte sie.

,,Was kannst du denn zaubern?“ wollte Munkelpietz nun wissen. ,,Nur weiße Mäuse! Aber letzte Woche habe ich auch einen Apfel in einen Kohlkopf verwandelt, weil ich so einen Hunger auf Kohlsuppe hatte.“ Munkelpietz schüttelte den Kopf. ,,Mmh, das ist wirklich nicht viel! Darf ich es vielleicht mal mit einem Zauberspruch versuchen?“

Die kleine Hexe schob das Zauberbuch zu dem Wichtel hin. ,,Aber bitte doch! Versuch es ruhig mal.“
Munkelpietz nahm das Buch und begann darin zu lesen. Allerhand interessante Zaubersprüche gab es dort zu lesen. ,,Ich versuche es einfach einmal,“ sagte er und begann einen der Sprüche laut vorzulesen.

,,Schneckenschleim und Hasenfürze,
sind des Hexers rechte Würze.
Eine Prise Spinnenschmalz,
Blut von einem Schweinehals.
Bringen Freude, bringen Segen,
aus den Nüssen, wird nun Regen.“

Kaum hatte er das letzte Wort gesagt, da begann es zu donnern und zu blitzen und ein Regenguss setzte ein, der die ganze Hütte unter Wasser setzte. Knollennase, der durch den Regen nun erwacht war kam in das Zimmer gestürzt und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Das Wasser stand ihnen schon bis zu den Füßen.,,Oh, was habt ihr nur angestellt!“ rief er entsetzt aus.

,,Ich habe nur einen Spruch aus dem Zauberbuch vorgelesen,“ der Wichtel konnte das Geschehen gar nicht so recht fassen. Die kleine Hexe aber lachte, sie konnte sich kaum wieder beruhigen. Sie umarmte den kleinen Wichtel und tanzte mit ihm durch den Regen. ,,Munkelpietz, du bist ein großer Zauberer,“ rief sie vergnügt aus. Zwerg Knollennase hatte inzwischen die Tür der Hexenhütte aufgerissen und so konnte das Wasser wenigstens abfließen. Aber der Regen hörte nicht auf.

,,Ihr müsst irgendetwas tun,“ schrie er. Munkelpietz blätterte in dem Zauberbuch, aber er fand keinen Spruch, mit dem er den Regenschauer beenden konnte. So gab er das Buch an die kleine Hexe weiter. Pia Pattlich hatte sich ein wenig beruhigt und fand schon nach kurzer Zeit einen passenden Spruch.

,,Katzendreck, Kartoffelscheiben,
beendet nun dies nasse Treiben.
Regenschirm und Gehstockknauf,
Regenschauer hört nun auf.“

Die kleine Hexe hatte den Spruch aufgesagt, aber nichts geschah. ,,Du musst dich ganz fest konzentrieren und an deine Zauberkraft glauben, dann wird es dir gelingen, den Regen zu beenden!“ rief Munkelpietz ihr zu. Die kleine Hexe sagte den Zauberspruch noch einmal auf und diesmal konzentrierte sie sich ganz auf das, was sie sagte. Es gab einen dumpfen Knall und der Regen versiegte.
Nun war sie sehr verblüfft.,,Hihihih, ich. . . , ach ich. . . ich kann doch hexen! Ich habe mir ganz fest gewünscht, das ich es kann und es hat geklappt!“

,,Ja es hat geklappt!“ Knollennases Unterton war ein wenig barsch. „Aber jetzt würde ich vorschlagen, das wir deine Hütte wieder aufräumen und das letzte Wasser beseitigen.“ Pia Pattlich nickte und sie machten sich an die Arbeit. Munkelpietz brachte unterdessen den Eseln etwas Futter. Dabei sah ihm aus einiger Entfernung ein alter, schwarzer Rabe zu.

Es war Gork und er freute sich diebisch, das er nun die Spur des Wichtelmännchens und seines Gefährten wiedergefunden hatte. Eilig flog er hinfort, hin zu seinen Trollen, die eine Tagesreise entfernt waren, aber immer näher kamen. Inzwischen war es wieder Abend geworden, die Hexenhütte war wieder aufgeräumt und trockengewischt. Pia Pattlich, Munkelpietz und Knollennase saßen vor der Hexenhütte und redeten miteinander.

,,Heute Abend muss ich los, wenn ich morgen pünktlich auf dem Hexenfest erscheinen will,“ sagte die kleine Hexe. ,,Und du würdest uns wirklich auf deinem Besen mitnehmen?“ fragte Knollennase noch einmal nach. ,,Selbstverständlich, würde ich das tun. Obwohl es ja eigentlich verboten ist!“ Nun beratschlagten sich Munkelpietz und Knollennase lange Zeit und schließlich waren sie sich einig geworden. ,,In Ordnung, dann lass uns recht bald aufbrechen,“ schlug Munkelpietz vor.

So geschah es dann auch. Munkelpietz holte die Esel und Pia Pattlich sprach einen Hexenspruch.

,, Großer Mond und helle Sterne,
hexen tu ich furchtbar gerne.
Maikäferlarven, weiße Läuse,
aus zwei Eseln werden Mäuse.“

Es gab einen Knall und die Esel waren zu Mäusen geworden. ,,Iiiah, Iiiaaaah!“ Toppers sonst so kräftige Eselsstimme klang nun leise und dünn. Er war außer sich darüber, dass er nun in eine Maus verwandelt worden war. ,,So etwas könnt ihr mit einem so stolzen Esel wie mir doch nicht machen,“ rief er immer wieder wütend. Aber nachdem Munkelpietz ihm die Sachlage noch einmal in aller Ruhe geschildert hatte, gab er sich seinem Schicksal hin und auch Schnellläufer hatte keine Einwände mehr. Pia Pattlich hatte inzwischen ihren Hexenbesen aus der Hütte geholt und war nun reisefertig. Aber es gab noch Probleme mit dem zahlreichen Gepäck, das Wichtel und Zwerg mit auf die Reise genommen hatten und das bislang die Esel getragen hatten.

,,Ich werde es in einen Tannenzweig verwandeln,“ schlug die kleine Hexe vor. Sie sprach einen Hexenspruch und nach einen zweiten Anlauf, bei dem sie sich wieder sehr konzentrierte wurde das Gepäck zu einem Tannenzweig verwandelt. Dann ging es los. Knollennase hatte eine der beiden Mäuse unter seine grüne Zipfelmütze gesteckt und Munkelpietz hatte den Tannenzweig und die andere Maus an sich genommen. ,,Ihr müsst euch nun gut an mir festhalten!“ rief die kleine Hexen den beiden zu.

,,Ja, das machen wir!“ Nun sprach Pia Pattlich die Worte “ Flieg Besen, Höllenhund “, und der Besen erhob sich in die Lüfte. Der Mond war nun am Himmelszelt erschienen und spendete ihnen ein wenig Licht bei ihrem nächtlichen Flug. Pia Pattlich verstand es ausgezeichnet, mit ihrem Hexenbesen umzugehen und Munkelpietz fühlte sich sehr sicher. Er musste noch einmal an seinen ersten Flug denken. Damals war er auf einem Storch, namens Aljoscha zur großen Stadt am Meer geflogen, wo er dann schließlich den Zwerg Knollennase fand.

Die ganze Nacht über flogen sie auf dem Hexenbesen. Und als der nächste Morgen erwachte hatten sie ihr Ziel, den Hexenberg erreicht und die kleine Hexe landete sanft und butterweich auf dem Erdboden.
,,So und jetzt solltet ihr machen, dass ihr fortkommt!“ sagte sie, nachdem sie den Eseln ihre ursprüngliche Gestalt zurückgegeben hatte und den Tannenzweig wieder zu Gepäckstücken verwandelt hatte. ,,Ich glaube, das die anderen Hexen sehr böse werden, wenn sie euch hier entdecken und es könnte ein nicht wieder gutzumachendes Unglück geschehen. Darum geht jetzt lieber meine Freunde, es ist besser für euch.“

Der Wichtel hatte verstanden und nickte. ,,Ja, vielleicht hast du recht!“ Die kleine Hexe gab ihm zum Abschied einen kleinen Ring. ,,Solltest du irgendwann einmal in Schwierigkeiten stecken, dann streif dir diesen Ring über deinen Ringfinger und reibe an ihm. Ich werde dann wissen, das du Hilfe brauchst und zu dir kommen und versuchen dir zu helfen.“ Munkelpietz steckte den Ring in die Tasche seines Wichtelwamses und dankte der kleinen Hexe noch einmal. Dann trennten sich ihre Wege. Die Esel waren sehr erfreut das sie nun wieder ihre alte Gestalt zurückbekommen hatten und so kamen Knollennase und Munkelpietz recht zügig voran. Den Hexenberg hatten sie am Mittag hinter sich gelassen und bald darauf kamen sie an einen See. Knollennase wollte hier unbedingt das Nachtlager aufschlagen und Munkelpietz konnte ihn auch mit besten Zureden nicht davon abbringen.

,,Nein, hier bleiben wir! Hier kann ich auch endlich mal in aller Ruhe angeln und uns ein paar Fische fangen.“ Tatsächlich gelang es Knollennase einen Karpfen zu fangen. Und später briet er ihn über dem Feuer. „Munkelpietz wo steckst du?“

Er suchte den Wichtel überall um ihm Bescheid zu geben, dass das Abendessen fertig sei, aber er konnte ihn nirgends entdecken. Schließlich fand er ein Stück Papier, auf dem ihm der Wichtel eine Nachricht zurückgelassen hatte. Knollennase konnte es nicht recht glauben. Sollte Eugen Balduin wirklich allein zum Hexenberg zurückgegangen sein? Schließlich zuckte er mit den Schultern und ging zurück an die Feuerstelle und begann damit den gebratenen Karpfen zu verspeisen.

,,Soll er doch gehen, schließlich muss er wissen was er tut!“ rief er noch einmal ärgerlich aus. Eugen Balduin Munkelpietz hatten inzwischen schon fast zwei Drittel des Weges zum Hexenberg zurückgelegt. Mit einer Prise Elfenstaubes hatte er sich unsichtbar gemacht und war sich sicher, dass er so ungesehen dem Treiben der Hexen zusehen konnte. Als das letzte Sonnenlicht, der Nacht gewichen war stand er in der Nähe des Hexenplatzes. Hier herrschte schon ein buntes Treiben und viele der Hexen hatten sich um einen riesigen Holzstoß versammelt, der nun angezündet wurde. Sie kicherten laut und unheimlich und dann tanzten sie um den Feuerstoß herum. Schließlich erschien eine große, alte Hexe, die ganz in weißen Farben gekleidet war.

Urplötzlich war alles völlig ruhig geworden. Es war die Oberhexe Tanasula, die das Hexenfest mit feierlichen Worten für eröffnet erklärte. Dann begann das große Hexenzeremoniell. Jede Hexe stellte ihren neusten Hexentrick vor. Die alte Moorhexe begann und zauberte unter dem Beifall ihrer Hexenkolleginnen eine Vogelscheuche herbei, die ein lustiges Gedicht aufsagte. Hierfür wurde sie in die vierte von sechs Hexenklassen befördert. Danach folgte die Kräuterhexe Wilhelmine Rüppich, die ein Huhn in ein Pferd verwandelte, das dann mit einem Satz über das Hexenfeuer sprang. Sie wurde in die fünfte Hexenklasse befördert. So zauberte eine Hexe nach der anderen und erhielt mehr oder weniger heftigen Beifall von ihren Kolleginnen. Zum Schluß wurde Pia Pattlich von der Oberhexe aufgerufen. Nun gab es Gelächter und aufgeregtes Getuschel.

,,Die zaubert doch nur wieder weiße Mäuse.“ rief die Nordmeerhexe und kicherte. Pia Pattlich trat in die Mitte der Runde und verbeugte sich. Dann sprach sie ihren Zauberspruch.

,,Beim Schopfe meiner Mutter,
dazu noch zwei Pfund Butter.
Von einem Geist, die kalte Hand,
erscheine großer Elefant!“

Nichts passierte und die kleine Hexe war schon völlig verzweifelt. Plötzlich hörte sie eine leise Stimme. ,,Hallo Pia Pattlich! Erschreck dich jetzt nicht. Ich bin es Munkelpietz, ich habe mich unsichtbar gemacht, du kannst mich nicht sehen!“ ,,Was willst du?“ flüsterte die kleine Hexe.

,,Ich möchte dir helfen. Du bist viel zu nervös! Konzentriere dich bei deinem Hexenspruch und glaube an dich, dann wird dir dein Zauber auch gelingen!“ Nun hatte die Oberhexe Tanasula wieder das Wort.

,,Ich stelle fest, Pia Pattlich ist durchgefallen,“ rief sie unter dem tosenden Applaus der anderen Hexen. ,,Nein, lasst es mich noch einmal versuchen, jammerte nun Pia Pattlich und sie klang recht verzweifelt. Ich weiß dass ich hexen kann. Ich bin nur immer so fürchterlich aufgeregt!“

Die Oberhexe wiegte ihren Kopf und dann beriet man sich. ,,Lasst sie es noch einmal versuchen! ‘’ rief Bokasada, eine alte Freundin der Oberhexe. Ihr Wort fand Gehör und Pia Pattlich durfte es ein zweites Mal probieren. ,,Konzentriere dich!“ flüsterte Munkelpietz noch einmal.

Pia Pattlich atmete tief durch. Alles kam nun auf ihren zweiten Versuch an. Wieder sagte sie ihren Spruch auf.

,,Beim Schopfe meiner Mutter,
dazu noch zwei Pfund Butter.
Von einem Geist, die kalte Hand,
erscheine großer Elefant.“

Sie überlegte kurz und sprach dann weiter.

,,Tanze auf einem roten Seil,
Hexenblitz und Bergmannsbeil.“

Kaum hatte sie das letzte Wort gesagt, da gab es einen gewaltigen Knall und es blitzte und donnerte so heftig, dass alle anwesenden Hexen erschrocken zusammenzuckten. Nun erschien ein großer, grauer Elefant und kletterte auf ein rotes Seil, das zwischen zwei Bäumen gespannt war. Er tanzte wie eine Ballerina auf seinen Hinterläufen und trötete eine Melodie mit seinem langen Rüssel. Gebannt schauten alle Hexen dem Schauspiel zu. Dann kletterte der Elefant wieder von seinem Seil, verbeugte sich artig und verschwand im nahegelegenen Wald.

Ein riesiger Beifallsorkan brauste auf und man ließ Pia Pattlich hochleben. Tanasula beförderte die kleine Hexe sogleich von der ersten in die vierte Hexenklasse und gratulierte ihr viele Male zu ihrem Hexenkunststück. Pia Pattlich war nun überglücklich und freute sich mächtig über all die Sympathie, welche ihr nun entgegen gebracht wurde.

Später als das Hexenfest schon fast vorbei war, traf sie Munkelpietz an einer alten Eiche. Der Wichtel war immer noch unsichtbar. ,Nun hast du es ja doch noch geschafft,“ flüsterte er als er die kleine Hexe erblickte. ,,Ja, und das habe ich nur dir zu verdanken.“ Sie redeten noch eine Weile miteinander und der Wichtel erzählte der kleinen Hexe von dem Geheimnis des Elfenstaubes. Dann brachte Pia Pattlich den unsichtbaren Wichtel auf ihrem Hexenbesen zurück an den See, wo Knollennase hoffentlich noch auf ihn wartete.

Es war noch stockdunkel als sie landeten. Nur die glimmende Glut des Lagerfeuers spendete ihnen ein wenig Licht. Alles war ruhig und Knollennase schlief tief und fest. Munkelpietz gab der kleinen Hexe noch einmal die Hand und dann flog diese auf ihrem Besen nach Hause. Der Wichtel winkte ihr noch lange nach.

,,Auf Wiedersehen!“ Er verspeiste noch den Rest des inzwischen kalt gewordenen Karpfens, den Knollennase wohl noch vom Abendessen übriggelassen hatte und legte sich nach dem labenden Mahl schlafen.


© Hansjürgen Katzer, 1997






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